Armutstourismus: Eine Stunde Slum und zurück

In Neu Delhi, Indiens Hauptstadt und 18 Millionen Metropole, entsteht ein neues Phänomen, wie der Guardian berichtet. Führer bieten ausländischen Touristen für eine Stunde eine Tour durch einen der zahlreichen Slums an, die an einer von vielen Eisenbahnstationen liegen. Besonderen Wert wird bei diesen Touren auf die Verhältnisse der Kinder und Frauen gelegt. Das Ziel dieser Touren, laut Guardian, solle es sein, die Sichtweise für die Armen der Welt zu öffnen. Dies wird auch noch unterstützt durch die Anbieter, die einen Teil der Tourgebühren, der Guardian spricht von 200 Rupien (ca. 4 Euro), für wohltätige Zwecke stiften.
Doch sind solche Entwicklungen sinnvoll? Letztes Jahr habe ich bei einer NGO, die sich um Straßenkinder auf den Straßen Delhis kümmert, ein Praktikum absolviert und kenne daher, die vom Guardian behandelten Orte. Leider muss ich sagen, dass die Eisenbahnstationen fest in der Hand von Bettel- und Müllsammlerorganisationen ist. Die Kinder werden gezielt geschult, bei ausländischen Touristen zu betteln. Vom Geld, den sie so zusammentragen, bleibt ihnen nur ein sehr geringer Betrag übrig.
Sollten nun solche Touren stattfinden, oder eher nicht? Sinnvoll ist es allemal, da sich so Sichtweisen verschieben, was Armut und was Notleiden ist. Anderseits sollte sich jeder Tourist, der solch eine Tour besucht, im Klaren darüber sein, dass, er eigentlich für die bestaunten Kinder keine wirklich gute Tat getan hat. Es wurden eher Bandennetzwerke gestärkt. Dies lässt sich verdeutlichen, wenn man weiß. dass es Slumbewohner in Delhi gibt, die mit 1000 Rupien im Monat auskommen müssen. Ich spreche hier von einer vierköpfigen Familie.
Ein besserer Weg ist es, eher eine der vielen NGO’s zu unterstützen, die bei der Unterstützung von Straßenkindern eine größere Erfahrung haben und deren Ziel es eher ist, die Kinder auszubilden, und nicht als Anschauungsobjekt zu missbrauchen.

3 Gedanken zu „Armutstourismus: Eine Stunde Slum und zurück

  1. Also ganz ehrlich, Führungen für Touristen durch Slums finde ich pervers. Das erinnert an die Völkerschauen aus dem 19./ Anfang 20. Jahrhundert, wo die Menschen zu Exponaten degradiert wurden.
    Wozu das Ganze? Damit man später bei einem gemütlichen Dia-Abend und einem Glas Wein seinen Freunden erzählen kann, wie schlimm doch die Verhältnisse in Indien sind, man es mit eigenen Augen gesehen und jetzt mit Fotos beweisen kann? Na, ich weiß nicht….

  2. Ich denke wer sich wirklich für die Lage in den Slums interessiert, sollte auch eine Möglichkeit haben sich vor Ort zu informieren. Eine geführte Tour ist allemal besser als wenn man allein solche Gegenden aufsucht und dabei möglicherweise in gefährliche Situationen gerät. Das alles sollte natürlich so geschehen, dass die Würde der dort lebenden Menschen nicht verletzt wird. Also erstmal fragen, bevor fotografiert wird, angemessene Kleidung usw.

  3. Ja, da hast Du natürlich recht. Bei wirklichem Interesse, ist das eine gute Möglichkeit, sich vor Ort und aus erster Quelle zu informieren. Dagegen ist so gesehen auch nichts einzuwenden. Meine Befürchtung ist nur, dass es ausarten und zu einer Touristenattraktion werden könnte und die Menschen einen solchen „Slumbesuch“ wie einen Museumsbesuch einfach als Urlaubsprogramm mitnehmen.

Hinterlasse eine Antwort zu Michael Antwort abbrechen